Schwefelsee

[Odinus Thorus]

Ein bekanntes Problem der KI ist, dass manchmal Behauptungen erfunden werden oder zumindest nicht mit Belegen versehen sind. Diese Etymologie mit salfur erinnert an Isidor, doch in Etym. XVI 1 (wo er u.a. von sulphur sprichrt), steht sie nicht.

Das war nur so ein schneller Gedanke von mir, Bierfeund, ich glaube nicht, dass diese Deutung Bestand hat. Interessant ist die griech. Bezeichnung, weil sie an das griech. Wort für Gott assoziieren lässt. Es ist erlaubt, zu wissen, dass im alten Ägypten Gott und Salz dasselbe Wort waren, nämlich netscher, von dem sich heute noch unser Natron ableitet, aber auch im Griech. und Lat. stehen Gott und Salz lautlich sich einander sehr nahe sal & sol, wenn man die Sonne als Gott betrachtet. Schwefel ist ja halogen 1. Grades.

[cometes]

Tatsächlich findet man in der Alchemie des 16. Jahrhunderts bei Bernardino Gómez Miedes in dessen Commentarii de sale libri IV eine zwar nicht auf fur, aber furfur verfallende Etymogelei:

Praeterea sulphur (quod non est a vero absimile) ab ipso etiam sale et dici et progigni potest. Ac neque insulse equidem tam nominis quam rei explicata vi, sulphur quasi salis furfur seu recrementum dictum putarem. Idque ex eo maxime quod igneas et severissimas salis vires concoctum atque ex salsa materia vi ignis excretum in summo gradu retineat.

Der Schwefel (was der Wahrheit nahekommt) kann überdies sogar vom Salz selbst her den Namen erhalten und von ihm hervorgebracht werden. Und würde die Bedeutung sowohl des Namens als auch der Sache nicht auf unsinnige Weise erklärt, nähme ich an, dass der Schwefel (sulfur) gleichsam Kleie (salis furfur) oder Rückstand des Salzes (recrementum) heißt. Und dies vorrangig daher, dass er gekocht und durch die Kraft des Feuers von der salzigen Materie abgeschieden die feurigen und äußert strengen Kräfte des Salzes bewahrt.

[Zythophilus]

Neues scheint es in Bezug auf die seltsame Erklärung von sulfur durch die KI nicht zu geben. Sie mag in einem Text über Schwefel, den man im Internet nicht findet, auf den aber die KI Zugriff hat, stehen, oder aber, was ich nicht beurteilen kann einer Art "Phantasie" der KI entspringen, wenn ähnlich klingende Wörter herangezogen werden - eine KI-Brakbekl.

[cometes]

Es handelt sich meines Erachtens um einen Fall von automated courtesy bias. Viele KI-Chatbots, die ja die hier geposteten und von Menschen psychologisch als "Gespräch" erlebten Texte nicht nur unter dem Aspekt abstrakter Wissensvermittlung, sondern auch der Kommunikation und Nutzererfahrung genieren, sind darauf optimiert, freundlich und wertschätzend zu formulieren, insbesondere Dissens abzumildern.

Das führt mitunter dazu, dass eine Theorie als interessant (Wer hört das nicht gerne?) bezeichnet wird, und erst im nächsten Schritt vorsichtig einschränkend aber nicht allgemein akzeptiert hinzugesetzt wird, wodurch der Eindruck entsteht, sie besäße eine Verbreitung und Diskussionswürdigkeit, die sich jedoch in den Quellen nicht wiederfinden lassen.

Da die gewählten Formulierungen von vielen Faktoren abhängen, lässt sich der automated courtesy bias nicht beliebig exakt reproduzieren, die Tendenz aber sehr wohl - ChatGPT-4: Die Theorie, dass es von “sal fur” (Salzdieb) abgeleitet ist, ist interessant, aber es gibt keine historischen Belege dafür. Forum (NI-basiert, nennen wir es mal auf Tacheles optimiert): Was fabuliert er da wieder für Nonsens!?

[Zythophilus]

Das Wort "interessant" bzw. noch mehr sein englisches Pendant wird tatsächlich oft verwendet, wenn man etwas, das man für unnötig etc. hält, aus Höflichkeit nicht als negativ darstellen will. So scheint sich die KI mit ihrer automated courtesy bias selber auszutricksen.

[Sapientius]

Das ist so wie wenn man statt des dumpfen "Weiß ich nicht" antwortet: "Gute Frage".

[Odinus Thorus]

Wir ahnen, die eigentliche Intelligenz steckt in der Frage, das, was KI nicht kann....