Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon berti » So 3. Aug 2008, 15:33

Salvete,

hier habe ich einen Textauszug aus ,,de brevitate viate" (XIII,1). Ich soll ihn übersetzen und interpretieren. Bei der Übersetzung hatte ich eigentlich keine Probleme, außer das ,,quorum" und das ,,cura" im ersten Satz.

Text:

Persequi singulos longum est quorum aut latrunculi aut pila aut excoquendi in sole corporis cura consumpsere uitam. Non sunt otiosi quorum uoluptates multum negotii habent. Nam de illis nemo dubitabit quin operose nihil agant, qui litterarum inutilium studiis detinentur, quae iam apud Romanos quoque magna manus est.

Übersetzung:

Es wäre zu weitläufig, jeden Einzelnen zu verfolgen, deren entweder Brett - oder Ballspiele oder das Ausdörren des Körpers in der Sonne mit Sorgfalt (ihr) Leben vertan hat. Die sind nicht untätig, deren Vergnügen viel Arbeit hat. Denn Niemand wird jene bezweifeln, dass die mühevoll nichts tun, die mit dem Studium unnützer Wissenschaften aufgehalten werden; diese große Menge gibt es auch bei den Römern.


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Da ich in einem anderen Unterforum keinen neuen Thread erstellen wollte, will ich hier auch gleich meine Interpretationsansätze Kund tun. Zuerst habe ich mal den Text versucht, verständlicher auszudrücken:

Seneca will sagen, dass es viele Leute gibt, deren Leben mit Spielen ihr Leben vertan haben.

Er will aber auch sagen, dass die, deren Vergnügen (Spiele etc.) viel Mühe kostet, nicht faul sind.

Er sagt auch, dass es feststeht, dass Leute, die unnützen Beschäftigungen nachgehen, zwar viel leisten, aber dennoch nichts tun. Und es viele solcher Leute in Rom.

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Kann mir jemand bei der Interpretation helfen?

Danke.
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Beitragvon Zythophilus » So 3. Aug 2008, 16:09

SALVE
quorum bezieht sich auf singulos im HS. Übersetzt man das mit "jedes einzelnen", muss quorum folglich mit "dessen" übersetzt werden. Davon hängt, allerdings durch ein Hyperbaton getrennt, der Akk. uitam ab. Der Rel.Satz hat drei Subjekte: latrunculi, pila und cura. Vom letzten ist die Gerundivkonstruktion excoquendi ... corporis abhängig.

VALE
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Re: Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon berti » So 28. Dez 2008, 13:52

Hier nochmal eine Übersetzung:

Es wäre zu weitläufig, Einzelne zu verfolgen, von denen Steine im Brettspiel oder das Ballspiel oder die Sorge, den Körper in der Sonne auszudörren, das Leben vergeu-dete. Diese sind nicht untätig, deren Vergnügen (Pl.) viel Aufwand kostet. Denn nie-mand bezweifelte jene, die sicht mit dem Studium (Pl.) unnützer Wissenschaften auf-gehalten haben, dass diese mühevoll nichts tun; diese große Schar gibt es auch bei den Römern.

Sind noch ein paar Fehler drin?

MfG
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Re: Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon Willimox » So 28. Dez 2008, 14:22

Hm, nach den ergiebigen Hinweisen von Zytho
hier vielleicht noch nützlich eine englische Variante.
Sie mag die Brüchigkeiten der deutschen ÜS bereinigen und glätten helfen.

    Persequi singulos longum est
    quorum aut latrunculi aut pila aut excoquendi in sole corporis cura consumpsere uitam.
    Non sunt otiosi
    quorum uoluptates multum negotii habent.
    Nam de illis nemo dubitabit
    quin operose nihil agant,
    qui litterarum inutilium studiis detinentur,
    quae iam apud Romanos quoque magna manus est.

    It would be tedious
    to mention all the different men
    who have spent the whole of their life
    over chess or ball or the practice of baking their bodies in the sun.
    They are not unoccupied
    whose pleasures are made a busy occupation.
    For instance,
    no one will have any doubt that those are laborious triflers
    who spend their time on useless literary problems,
    of whom even among the Romans there is now a great number.

P.S.
Der Relativsatz hat - wie schon Zytho erwähnt - drei abstrakte Begriffe als Subjekt - der englische Text transformiert sie in den Akkusativ. Das kann man sicher auch im Deutschen machen (Du hast da einen Singular im Relativsatzprädikat), sollte aber zunächst von einer möglichst wörtlichen ÜS begleitet sein, die man dann ins Passiv und dann in die englsichnahe Form bringt:

von denen Steine im Brettspiel oder das Ballspiel oder die Sorge, den Körper in der Sonne auszudörren, das Leben vergeu-dete.
deren Leben Brettspiele oder Ballspiele oder die Sorge um das Braten des Körpers völlig in Anspruch nahmen
deren Leben von Brettspielen .... völlig in Anspruch genommen wurde
die ihr Leben völlig in Brettspielen ..... aufgehen ließen.


Andererseits:

Die Seneca-Konstruktion setzt die Abstrakta als Subjekt des Vorgangs und damit ist recht schön die passive Rolle der Vergnügungssüchtigen illustriert.

Dieser Standard von otium - dieser Ansatz zur Interpretation sei wiederholt - wird dann als Kontrastfolie benutzt: Es gibt ein otium (Wissenschaft, Dichtung), das enorme Eigenaktivität verlangt. Und - eine Aufwertungsstrategie neben der spöttischen Schulterzuckgeste gegenüber den Leibbratern - solche Leute gibt es im heutigen Rom genug.

Lustiger Link, um ein bisschen auf den Putz zu hauen:

otium et negotium

Vale
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Re: Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon berti » So 28. Dez 2008, 18:05

Ich bedanke mich ganz herzlich. Hat mir sehr geholfen.
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Zitierweise

Beitragvon berti » So 4. Jan 2009, 19:46

Hab ihr noch paar Zitate. Könntet ihr evt. diese auf die Richtigkeit der Zitierweise überprüfen? danke

Original von Tacitus:
postquam ad providentiam sapientiamque flexit, nemo risui temperare, quamquam oratio a Seneca composita multum cultus praeferret, ut fuit illi viro ingenium amoenum et temporis eius auribus accommodatum.


Zitat:

„(…) oratio a Seneca composita multum cultus praeferret, ut fuit illi viro ingenium a-moenum et temporis eius auribus accommodatum.“



Original von Seneca:
Persequi singulos longum est quorum aut latrunculi aut pila aut excoquendi in sole corporis cura consumpsere vitam. Non sunt otiosi quorum voluptates multum negotii habent. Nam de illis nemo dubitavit quin operose nihil agant qui litterarum inutilium studiis detinentur, quae iam apud Romanos quoque magna manus est.


Zitate:

Mit der Anapher „aut (…) aut (…) aut“, welche den Trikolon „latrunculi (…) pila (…) cura“ verbindet...

Da das letzte Glied „excoquendi in sole corporis cura“ nicht nur aus einem Substantiv...

Die Alitteration „corporis cura consumpsere“....

Durch die Verneinung „non sunt otiosi“...

Die Wendung „nam de illis nemo dubitavit“...

MfG
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Re: Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon Princeps » So 4. Jan 2009, 20:16

Hallo, Berti!

Zitate: wichtig ist zunächst einmal die korrekte Stellenangabe (Abkürzungen nur benutzen, wenn man sich sicher ist, ansonsten hier überprüfen lassen).

Wenn du lateinischen Text zitierst und nicht die ganze Stelle / den ganzen Satz wiedergeben willst, kannst du dir die Anführungszeichen, Punkte (Anfang / Ende) und auch die Klammern sparen, wenn du einfach den lat. Text kursiv druckst. Zusammen mit der Stellenangabe wird das Zitat deutlich.

Sen. dial. X,13,1 oder Sen. brev. vit. XIII,1 oder Sen. brev. vit. (= dial. X) XIII,1
Tac. ann. (Stelle ergänzen)

aut - aut - aut halte ich nicht für eine Anapher > syndetisches Trikolon (das ! Trikolon)

es heißt: Alliteration :prof2:

Fremdwörter - Schreibweise, Plural und Genus bitte stets überprüfen: Lehrer/-innen legen Wert auf korrekten Fachbegriffgebrauch! :smile:

Gruß Princeps
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Re: Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon berti » Mi 7. Jan 2009, 00:32

So dann?

Mit der Anapher aut (…) aut (…) aut

Da das letzte Glied excoquendi in sole corporis cura

MfG
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Re: Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon Princeps » Mi 7. Jan 2009, 11:06

Mit der Anapher aut (…) aut (…) aut

NEIN: Mit dem (syndetischen) Trikolon aut ... aut ... aut
Den Satz musst du wohl umformulieren, da die Fortsetzung sonst nicht passt.

Da das letzte Glied excoquendi in sole corporis cura Sieht gut aus!

Vale!
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Re: Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon berti » Mi 7. Jan 2009, 12:56

Kann ich auch, wenn ich lateinische Werke aufzähle, die Werke kursiv und ohne Anführungszeichen schreiben?
z.b.:
Weitere philosophische Werke von Seneca sind de clementia, de beneficiis, naturales quaestiones und epistulae morales ad Lucilium.

Hier noch eine Verbesserung von vorher:

Mit dem syndetischen Trikolon aut (…) aut (…) aut, welche das Trikolon latrunculi (…) pila (…) cura verbindet wird eine Eindringlichkeit hervorgerufen und der Satz übersichtlich gegliedert.

Passt das so?

Und kann mir jemand das Wort ,,Agon" flektieren? (das Agon, des Agons...). Bin mir da nicht so sicher.

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Re: Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon Princeps » Mi 7. Jan 2009, 15:41

Hallo, Berti!
Es heißt: der Agon, des Agons (kommt aus dem Griechischen)

Senecas Werke: kursiv - nicht nötig - sieht aber gut aus! Du solltest den ersten Buchstaben nach deutscher Gepflogenheit allerdings groß schreiben.
De clementia oder (besser) De clementia
Natürlich kannst du den Titel auch (bei normaler Schreibweise) hervorheben. 'De clementia'.
Die größte Verbreitung in der wiss. Literatur dürfte freilich De clementia haben.

Der Trikolon-Satz ist - verzeih! - unsinnig. Natürlich gliedert ein Trikolon, aut - aut - aut machen dies nur sehr deutlich.Worauf es ankommt, ist also nicht die Konjunktion (aut), sondern die dann jeweils Genannten, nämlich die Brettspieler oder die Ballspieler oder die Sonennanbeter, die als Beispiele für die singulos (Beginn des Satzes) fungieren.
Figur der Praeteritio (Stilmittel): Seneca kündigt an, einzelne Leute / Gruppen nicht zu nennen, und nennt sie dann doch kurz.

Gruß Princeps
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Re: Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon berti » Mi 7. Jan 2009, 17:07

Dankeschön. Beim Artikel von Agon hab ich mich wohl vertan. Hatte schon erkannt, dass Agon maskulin ist^^

Mit der Praeteritio hast du mir sehr geholfen, dankeschön. Optisch habe ich jetzt alle lateinischen und griechischen Begriffe kursiv und ohne Anführungszeichen gesetzt.


Also, wenn ich den ersten Buchstaben groß schreibe, sieht es so aus:

Weitere philosophische Werke von Seneca sind De clementia, De beneficiis, Naturales quaestiones und Epistulae morales ad Lucilium.

So korrekt? Finde es ein wenig merkwürdig^^

MfG
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Re: Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon Princeps » Mi 7. Jan 2009, 18:34

Weitere philosophische Werke von Seneca sind De clementia, De beneficiis, Naturales quaestiones und Epistulae morales ad Lucilium.

Wenn du Kursivdruck eingestellt hast, müsste es so aussehen. Ich finde es so prima, da man die fremdsprachlichlichen Werke / Texte sofort erkennt - ohne die Anführungszeichen.

Noch ein wenig Mecker :prof2: , amice!

Du zählst einige philosophische Werke Senecas auf. Leider hast du eine ganze Reihe davon vergessen: Dialogi (10 in einer Handschriftensammlung zusammengefasste Werke): De providentia, De constantia sapientis, De ira (3 B.), De vita beata, De otio, De tranquillitate animi, De brevitate vitae, Consolatio ad Marciam, Consolatio ad Polybium, Consolatio ad Helviam.
Zumindest den Titel der Sammlung (Dialogi) solltest du nennen. Weitere philosophische Schriften sind verloren.

Gruß Princeps
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Re: Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon berti » Mi 7. Jan 2009, 23:08

ok danke. die anderen werke hab ich schon davor, bzw. danach aufgezählt. hab nur diesen ausschnitt hier reinkopiert^^ aber danke für deinen einsatz :klatsch:

für die nächsten paar tage soll mal hier ruhe sein, werde mich aber nochmal melden :P

MfG
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Re: Seneca, de brevitate vitae; Übersetzung und Interpretation

Beitragvon berti » Sa 17. Jan 2009, 19:37

Ich bin wie versprochen zurück 8)

Habe nun die Textstelle ordentlich übersetzt. Hab jedoch eine Frage noch zur Übersetzung. Es heißt ja Nam de illis nemo dubitabit. Bezieht sich das de illis auf den Satz davor und muss so übersetzt werden: Denn niemand von jenen wird bezweifeln. Oder ist de illis das Objekt von dubitabit? Also dann so: Niemand wird jene bezweifeln?

Bei der Interpretation bin ich auf das Paradoxon operose nihil agant gestoßen (Sie machen mühevoll nichts). Kann mir hier jemand beim Interpretieren weiterhelfen? Ich komm einfach nicht darauf, was das Paradoxon aussagen will.

MfG
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