von consus » So 6. Mai 2007, 11:24
Salve, RM, vir rerum metricarum peritissime!
Weniger apodiktisch klingende Worte benutzend, räume ich ein, dass die metrische Deutung des aquai (bei Niedermann, a.a.O., acuai geschrieben) strittig ist; denn anders als Niedermann und Bailey schreibt W. Sidney Allen: „In Lucretius, for example, some occurrences of the forms ăquae and ăquai are probably to be read with heavy first syllable; this is certainly true of lĭquidus in some cases“ (Vox Latina, A Guide to the Pronunciation of Classical Latin, 2nd ed., Cambridge 1978, S. 18; Hervorhebung von mir; zu lĭquidus: Lucr. 1, 349; 3, 427; 4, 1259). Wir sind uns vermutlich einig in der Feststellung, dass zu der Zeit, als Lukrez schrieb, noch viele Unsicherheiten in Bezug auf Silbenquantitäten vorhanden waren. Trotz allem werde ich die Phalanx jenes aquai viersilbig lesender Philologen nicht verlassen und ein weiteres Argument für diese Messung nachliefern: Wenn nach einem grundlegenden antiken Gesetz Wörter Abbilder der Dinge sein sollen (μίμησις-Lehre), dann muss m. E. der Vers Lucr. 6, 1072 wie folgt gelesen werden:
vitigeni latices acuai fontibus audent
- u u / - u u / - u u / - - / - u u / - -
Eine andere Messung von aquai widerspräche dem lebendig sprudelnden Charakter des Quellwassers. Utcumque autem se habet res: „Und wieder sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen."