von Apollonios » Mi 6. Jun 2007, 17:58
Bruno Snell schreibt dazu in Neun Tage Latein. Plaudereien (Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1955):
"Hassen und lieben zugleich muß ich. Wie das? - Wenn ich's wüßte!
Aber ich fühls, und das Herz möchte zerreißen in mir.
Dies ist eines der meistübersetzten lateinischen Gedichte, und soviele Übertragungen ich kenne, die Mörikes scheint mir die schönste. Und trotzdem: wie viel ist auch bei ihm verlorengegangen. Wenn ich nun an diesem Beispiel zeige, wie unzulänglich das Übersetzen ist, so wahrhaftig nicht, um Mörike etwas am Zeug zu flicken, denn, wie gesagt, seine Übertragung ragt unter allen hervor. Aber durch solchen Vergleich des Originals mit der Übertragung können wir uns die Schönheiten der Catullschen Verse besonders eindringlich klarmachen.
Schon der Anfang stellt den Übersetzer vor eine unüberwindliche Schwierigkeit. Er kann odi et amo nicht, wie es natürlich und angemessen wäre, wiedergeben mit: "Ich hasse und liebe" - denn der Hexameter fordert am Anfang eine betonte Silbe (...). Mörike hilft sich - nicht ungeschickt - durch "Hassen und Lieben zugleich muß ich". Das hat aber den Nachteil, daß er statt 1 1/2 Versfuß 3 1/2 nötig hat, - und damit ist der prägnante programmatische Anfang zerdehnt und um seine lapidare Wirkung gebracht. Es kommt hinzu, daß durch das "muß ich" vorweggenommen wird, was sich bei Catull erst im Lauf der ersten 1 1/2 Verse entwickelt: denn in der Frage: quare id faciam, wird zunächst die Möglichkeit offen gehalten, daß Catull dieses zwiespältige Gefühl als eigene Tätigkeit hervorbrächte, und erst in dem fieri sentio kommt heraus, daß er (...) fühlt, wie dies mit ihm gemacht wird, daß es ihm geschieht. Die wesentlichste Anmerkung Mörikes aber ist, daß er den gedachten Gesprächspartner Catulls ausgeschaltet hat. Catull sagt: quare id faciam, fortasse requeris, (...) - während bei Mörike der Dichter sich selbst den Einwand macht: "Wie das?" - und gleich antwortet: "Wenn ich's nur wüßte." (...)
Die antike Lyrik ist nicht ein Selbstgespräch des einsamen Herzens, sondern richtet sich immer an ein Gegenüber, sei es die Gottheit, sei es der Kreis derer, in deren Gesellschaft der Dichter sich befindet, sei es ein Einzelner, der Freund, die Geliebte, der Feind usf.
Hier bei Catull sind wir gewissermaßen an der Grenze der antiken Form: die Anrede ist noch beibehalten, aber eigentlich ist das Gedicht schon ein einsamer Herzensausbruch. (...) Mörike (...) hat (...) das Gedicht (...) wesentlich modernisiert.
Aus dem nüchternen "nescio" macht Mörike den Seufzer: "Wenn ich's nur wüßte!" Und auch der Schluß, so schön er ist, sentimentalisiert ein wenig: statt "ich werde zermartert", heißt es: "das Herz möchte zerreißen in mir". Catull spricht nicht vom Herzen und nicht davon, daß es etwas möchte, sondern stellt hart nur die Tatsache fest, daß er zu Tode gequält wird."
וָ×ֹמַר מִי־יִתֶּן־לִּי ×ֵבֶר ×›Ö·Ö¼×™Ö¼×•Ö¹× Ö¸×” ×ָעוּפָה וְ×ֶשְ××›Ö¹Ö¼× Ö¸×” ׃
et dixi quis dabit mihi pinnas columbae ut volem et requiescam
ps. 55,7