Hier nun nach nochmaliger Durchsicht das nächste Kapitel zusammen mit einer Einleitung, die irgendwo im Internet herumschwirrte. Mal sehen, was du diesmal wieder findest, Prudentius. Auf Neutr. im Dt. habe ich geachtet und die Partizipien sind doppelt überprüft...
Kap. 11 – 15
Nach diesen Ausführungen über die alten Beschuldigungen wendet sich Sokrates der aktuellen Anklage zu. Er nimmt den Ankläger Meletos, der ihn als Verderber der Jugend hingestellt hat, ins Verhör. Meletos beantwortet seine Fragen nur knapp oder gar nicht. Aus seiner Reaktionsweise wird aber deutlich, dass er über das, was für die Jugend nützlich oder schädlich ist, keine durchdachten Vorstellungen hat. Er meint, die moralische Erziehung der Jugend obliege der gesamten Gesellschaft und diese Aufgabe werde von ihr auch richtig ausgeführt, nur Sokrates störe dabei. Dann kommt der wichtigste Anklagepunkt zur Sprache: die Behauptung, Sokrates halte nicht am Kult der in Athen traditionell verehrten Götter fest. Ihm wird vorgeworfen, er wolle die herkömmliche Religion durch einen neuartigen Kult von „Daimonischem“ ersetzen. Dies zielt auf das Daimonion, eine innere Stimme des Sokrates, von der er sich tatsächlich beraten lässt. Hier verwickelt sich Meletos aber, wie Sokrates zeigen kann, in einen Widerspruch. Einerseits bezichtigt er den Angeklagten, konsequent gottlos zu sein, also keinerlei übermenschliche Wesen zu verehren und Sonne und Mond für Steine statt für Gottheiten zu halten, andererseits stellt er ihn als Anhänger einer daimonischen, also übermenschlichen und somit göttlichen Macht dar.[24b–28a ]
11. Die Anklage des Meletos
περὶ μὲν οὖν ὧν οἱ πρῶτοί μου κατήγοροι κατηγόρουν αὕτη ἔστω ἱκανὴ ἀπολογία πρὸς ὑμᾶς· πρὸς δὲ Μέλητον τὸν ἀγαθὸν* καὶ φιλόπολιν, ὥς φησι**, καὶ τοὺς ὑστέρους μετὰ ταῦτα πειράσομαι ἀπολογήσασθαι. αὖθις γὰρ δή, ὥσπερ ἑτέρων τούτων ὄντων κατηγόρων, λάβωμεν αὖ τὴν τούτων ἀντωμοσίαν. ἔχει δέ πως ὧδε· Σωκράτη φησὶν ἀδικεῖν τούς τε νέους διαφθείροντα καὶ θεοὺς οὓς ἡ πόλις
*Pape: ".. bei den Attikern und durch die Philosophen wird es ausschließlich auf Sittlichkeit und Tugend angewendet, so daß der durch Sokrates bes. üblich gewordene Ausdruck καλὸς κἀγαϑός den durchaus Guten, den Ehrenmann ..
**Pape: "Häufig wird bes. bei Prosaikern φησί u. φασί parenthetisch eingeschoben, wie unser sagt man, heißt es,.."
Was nun das betrifft, weshalb meine ersten Ankläger mich beschuldigt haben, soll das als Verteidigung (-srede) vor euch genügen. Vor Meletos, dem Ehrenmann und Vaterlandsfreund, wie es heißt, und den späteren (Anklägern) will ich als Nächstes (wörtl: danach) versuchen, mich zu verteidigen. Darum (γὰρ, Pape) lasst uns doch (δή) noch einmal (αὖθις), als ob diese andersartige Ankläger wären, aufs Neue (αὖ) ihre Anklageschrift vornehmen. Sie enthält ungefähr Folgendes: Sokrates, besagt sie, handele gesetzwidrig, indem er die jungen Männer verderbe und nicht diejenigen Götter anerkenne, welche die Stadt
[24c] νομίζει οὐ νομίζοντα, ἕτερα δὲ δαιμόνια καινά. τὸ μὲν δὴ ἔγκλημα τοιοῦτόν ἐστιν· τούτου δὲ τοῦ ἐγκλήματος ἓν (εἷς) ἕκαστον ἐξετάσωμεν. φησὶ γὰρ δὴ τοὺς νέους ἀδικεῖν με διαφθείροντα. ἐγὼ δέ γε, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, ἀδικεῖν φημι Μέλητον, ὅτι σπουδῇ* χαριεντίζεται**, ῥᾳδίως*** εἰς ἀγῶνα καθιστὰς ἀνθρώπους, περὶ πραγμάτων προσποιούμενος**** σπουδάζειν καὶ κήδεσθαι ὧν οὐδὲν (οὐδείς) τούτῳ πώποτε ἐμέλησεν· ὡς δὲ τοῦτο οὕτως ἔχει, πειράσομαι καὶ ὑμῖν ἐπιδεῖξαι.
*Pape: mit Absicht, ernstlich, πάνυ σπουδῇ, Dem. Lpt. 105, vgl. Wolf p. 321; oft Thuc. u. Plat.; Phaedr. 260 b; σπουδῇ χαριεντίζεται, geflissentlich, Apol. 24 c; πάσῃ σπουδῇ μανϑάνειν, mit allem Eifer,
**χαριεντίζομαι, dep. med., mit Anmuth, Anstand, Artigkeit, Freiheit handeln, reden; auch scherzhaft, witzig, spöttisch reden; σπουδῇ χαριεντίζεσϑαι, im Ernste scherzen, Plat. Apol. 24 c; καὶ αἰνίττεσϑαι 27 d; Rep. IV, 436 d; Sp., wie Aristid.
***Pape: in tadelndem Sinne, leichtsinnig, leichtfertig;
**** sich den Anschein geben, als ob (LS)
anerkennt, und stattdessen (δὲ) (auf) verschiedene sonderbare göttliche Stimmen (höre). So lautet (/ist) ja bekanntlich der Vorwurf. Und von diesem Vorwurf (Gen.orig.) wollen wir jedes einzelne (Detail) prüfen.
Er (der Vorwurf) besagt ja nun, dass ich gesetzwidrig handele, indem ich die jungen Männer verderbe. Ich jedoch (γε nicht übersetzt), Männer von Athen, behaupte, dass Meletos gesetzwidrig handelt, weil er in einer ernsten Angelegenheit (σπουδῇ) scherzt, zumal er leichtfertig Leute vor Gericht bringt; dabei (wörtl.: wobei...) gibt er sich den Anschein, ernst über die Angelegenheiten zu reden und (darum) besorgt zu sein, worum er (τούτῳ) sich in keiner Weise jemals gekümmert hat. Dass dieses sich so verhält, will ich versuchen, auch euch zu beweisen.