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Die Weltmacht Rom




Die römische Reaktion darauf:

Die Reaktion des Römertums darauf ist bemerkenswert. Man sorgt sich um die eigene Entartung, die Klage über den Verfall des altrömischen Wesens ist mehr als nur ein literarischer Topos. Autoren wie Sallust, Cicero und Livius meinen es durchaus ernst. Rom gerät auf eine abschüssige Bahn, aber es bemerkt das und leidet unter der eigenen Dekadenz.

Schon um 200 schien es für Rom nur zwei Wege zu geben: Der erste ist eine völlige Abkapselung von der griechischen Kultur. Rom hätte sich auf die Rezeption einiger Kunstsparten und die Verwendung der Sprache im Handel beschränken können. Rom hätte sich also durchaus den verdächtigen griechischen Einflüssen entziehen können und wäre zu einem Kuriosum der Macht am Rande der hellenisiserten Welt geworden. Rom aber öffnet sich auf breiter Front. So hätte es im internationalen Hellenismus aufgehen können, und bei fast allen Staaten ist es tatsächlich so gewesen. Dann wäre Rom Teil des Welthellenismus geworden.


Das Großartige ist, dass Rom keine der Möglichkeiten wählt sondern in eine fruchtbare Auseinandersetzung mit der griechischen Welt, mit den griechischen Werten, eintritt. Dadurch erst lernen die Römer denken und reden: Das ist der erste humanistische Vorgang der Weltgeschichte. Die lebendige Aufnahme hellenistischen Gedankenguts zur Entwicklung eigener Leistungen beginnt im zweiten Jahrhundert und führt im ersten zur großen Blüte der römischen Klassik. Griechenland wird zur Sonne, unter der die römischen Pflanzen wachsen und reifen. Die Röer bleiben aber nicht beim Hellenismus stehen sondern dringen in die archaische Zeit "vor". Mit diesem griechischen Rüstzeug und der Philosophie erreichen die Römer eine Neugewinnung der alten Werte, die uns so - vermittelt durch Autoren wie Cicero, Vergil und Horaz - erhalten bleiben und für unsere Kultur entscheidend sind.


Bis 168 werden alle großen politischen Gegner besiegt, danach bewältigen die Römer die geistigen Herausforderungen, um verdient die Herren der Welt zu sein. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Familien der Scipionen und der Aemilii Paulli, die persönliche und geistige Kontakte zum zeitegnössischen Griechentum aufbauen. Für Cicero scheint diese Zeit einen Idealzustand darzustellen, verlegt er doch viele Diologe hierher. Scipio Africanus ist der Vertreter eines geläuterten Römertums. Der Scipionenkreis - es heisst, er habe eine Gruppe von römischen und griechischen Küstlern um sich versammelt - ist in dieser Form wahrscheinlich eine Fiktion, seine offene Einstellung gegenüber dem Griechentum ist mit Sicherheit eine Tatsache.


Es zeigt sich, dass sogar Cato Censorius, ein verbissener Kämpfer gegen griechische Einflüsse, einsieht, dass es mit der bloßen Ablehnung nicht getan ist. Er will dem daher etwas Römisches entgegenstellen und wird so unter griechischem Einfluss zum Schöpfer der lateinischen Prosaliteratur. Nach ihm schreiben auch die Annalisten in lateinischer Sprache. Sein Geschichtswerk Origines ist leider verloren: Er folgt darin in einzigartiger Weise nicht der annalistischen Form, sondern schildert die Gründungssagen der italischen Städte und Stämme und behandelt so die Fülle der italischen Überlieferungen. Er vermeidet konsequent die Nennung von Namen aller Personen - ein Gegensatz zum griechischen Feldherrenkult - und stellt die Gemeinschaftsleistung des römischen Volkes in den Mittelpunkt. 192 gibt er seinem Sohn Anweisungen, denn er erzieht ihn selbst. Die damals immer weiter verbreitete Alternative, diese Aufgabe einem griechischen Sklaven zu übertragen, erscheint ihm bestimmt als vollkommen inakzeptabel. Das einzige Werk Catos, das erhalten ist, handelt von der Landwirtschaft (de agricultura).


Noch stärker als die Prosa wird die Dichtkunst von den Griechen beeinflusst. Der erste römische Dichter, Cn. Naevius aus Kampanien, übersetzt griechische Komödien, besonders die der nea comoedia. Wichtiger für das röische Nationalepos wird hingegen Q. Ennius, dessen Lebenszeit (239 bis 169) den Aufstieg Roms zur Weltmacht umfasst. Er stammt aus Messenien und beherrscht neben seiner Muttersprache auch Griechisch und Latein, von denen ihm jede gleich wichtig ist ("drei Sprachen = drei Herzen"). Er besitzt Beziehungen zu den wichtigen Familien seiner Zeit, er wird zum ersten Nationaldichter vor Vergil. Sein Werk wird in der Schule auswendig gelernt, ehe es von der Aeneis des Vergil so vollkommen verdrängt wird, dass es nicht überliefert wurde.